Wie oft hast Du schon gesagt:
„Ich bin schockiert!“
oder
„Ich bin sauer!“
oder
„Ich bin wütend!“?
Als ganz normaler Mensch sagst Du das oder Ähnliches wahrscheinlich einige Male am Tag. Aber schau Dir einmal genau an, was Du eigentlich sagst:
„Ich bin… (ein bestimmtes Gefühl)“.
Ob Du das bewusst machst oder nicht:
So beschreibst Du Dich selber als Dein Gefühl.
Du setzt Dich gleich mit dem Gefühl, das Du hast.
Zugegeben: Ein starkes Gefühl fühlt sich oft wirklich so an, als hätte es uns komplett im Griff, als gäbe es keinen Teil von uns, der nicht dieses Gefühl ist. Manchmal geht es sogar so weit, dass wir so im Griff eines negativen Gefühls sind, dass wir es nicht loslassen wollen, selbst wenn wir das Gefühl eigentlich nicht mögen. Anders gesagt:
Oft wollen wir negative Gefühle nicht loslassen, da sie los zu lassen sich anfühlen würde, als würden wir einen Teil von uns selbst loslassen.
Versetz Dich mal zurück in eine Situation, die Du erlebt hast, in der Du fürchterlich sauer auf jemanden warst – aber irgendwo doch wusstest, dass der andere sich gar nicht so schrecklich verhalten hatte und du die Wut loslassen solltest. Mach die Situation jetzt noch einmal ganz real.
War es nicht so, dass ein Teil von Dir die Wut nicht loslassen wollte aus Angst, mit der Wut auch einen Teil von Dir selber zu verlieren?
Ähnlich ist es, wenn das Gefühl die Bedeutung, die wir einem Ereignis geben, rechtfertigt. Auch dann ist es wahnsinnig schwer, ein Gefühl loszulassen: Für uns fühlt es sich an, als würde das Loslassen des Gefühls die Bedeutung entkräften, und wenn wir dann die Bedeutung loslassen, würde wieder das Gefühl entkräftet – da wir das Gefühl haben, als wären wir das Gleiche wie das Gefühl, würden wir selber so also entkräftet.
Ein Beispiel: Jemand hält sein Versprechen nicht, das er uns gemacht hat.
Die Bedeutung, die wir der Situation geben:
„Auf andere Menschen kann man sich nicht verlassen, alles muss ich selber machen.“
Höchstwahrscheinlich macht uns das ziemlich wütend. Für uns fühlt es sich so an, als könnten wir uns wirklich auf nichts und niemanden verlassen.
Die Wut rechtfertigt so also die Bedeutung, die wir der Situation gegeben haben (dass man sich auf niemanden verlassen kann und alles selber machen muss) – dabei hat die Situation an sich gar keine Bedeutung.
Gleichzeitig rechtfertigt unsere Interpretation der Situation das Gefühl (die Wut), also möchten wir die Interpretation auch nicht überdenken.
Unsere subjektive Wahrnehmung der Realität ruft negative Gefühle hervor
Ist es denn wirklich wahr, dass wir unsere Emotionen sind?!
Was wäre, wenn?
Wenn wir wirklich das Gleiche wären wir unsere Gefühle, müssten wir zusammen mit einem Gefühl erlöschen.
Tun wir das? Nein.
Um es deutlich auszudrücken: Wenn wir sagen, wir SIND etwas, und dieses Etwas verschwindet dann, dann müssten wir logischerweise mit ihm verschwinden. Wenn unsere Gefühle verschwinden, verschwinden wir aber nicht gleich mit.
Natürlich werden Gefühle nach einer Weile schwächer.
Man kann sie aber auch ganz einfach vorher schon los werden, indem man sich von zwei Dingen befreit, die sie hervorrufen: Impulse, die uns antrainiert, „ankonditioniert“ wurden, und unsere Interpretationen, die Bedeutungen also, die wir Ereignissen geben – unsere subjektive Wahrnehmung der Realität. Ganz unbewusst und automatisch geben wir bedeutungslosen Ereignissen den lieben langen Tag Bedeutungen. Daher kommen unsere Gefühle, denn das Ereignis alleine würde kein Gefühl hervorrufen – es hat ja keine Bedeutung an sich.
Das Gefühl wird nur dadurch hervorgerufen, dass wir das Ereignis interpretieren.
Wenn wir nun lernen, eine Situation ohne unsere Interpretation zu betrachten – ganz neutral, ohne sie in unsere eigene Realität einzubinden -, ruft die Situation keine negativen Gefühle in uns mehr hervor.
Also:
- Wenn unsere Gefühle normalerweise nach einer Weile schwächer werden;
- und wenn unsere Gefühle vor allem das Ergebnis unserer eigenen Interpretationen von Situationen sind;
- und wenn wir die meisten Gefühle ganz einfach loswerden können, indem wir eine Situation neutral, ohne Interpretation betrachten
– wäre es dann nicht viel präziser, wenn wir sagen, dass wir Gefühle HABEN, aber nicht, dass wir Gefühle SIND?
Sich von Konditionierungen und eigenen Interpretationen zu lösen ist also das beste Mittel, um negative Gefühle loszuwerden.
Das ist schwierig.
Du kannst aber so oder so die Auswirkung von Gefühlen auf Dich abschwächen.
Wie Dir das gelingt?
Wenn Du merkst, dass Dich ein starkes negatives Gefühl gefangen nimmt, sage Dir, dass DU das Gefühl wahrnimmst und beobachtest.
Das beobachtende DU ist nicht das DU, das das Gefühl hat.
So kannst Du eine klare Linie zwischen „Gefühl sein“ und „Gefühl haben“ ziehen und Du bist in der Lage, das Gefühl richtig einzuordnen und Dich von ihm zu befreien.
Der Originalartikel „You are not your feelings“ ist auf seinem Blog mortylefkoe.com erschienen.
[Bildquelle: PublicDomainPictures auf Pixabay – danke!]
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