Ich bin wie der Hund Cujo aus Stephen Kings gleichnamigem Film, der von einer Fledermaus gebissen wird:
Ich könnte der Zollbeamten am Flughafen von Saint Lucia an die Gurgel gehen.
Sie scheint es vollkommen normal zu finden, mir meine ‚Baron West Indies Hot Sauce‘ wegzunehmen…!?
Scharfe Soße ist für mich, was Katzenminze für Katzen ist:
Ich esse sie unglaublich gerne und kann für nichts garantieren, wenn man sie mir wegnimmt.
Fast 5000 Kilometer bin ich für sie gereist – nur um diese Frau sagen zu hören:
„Sie dürfen diese Soße leider nicht mit ins Flugzeug nehmen.“
Sie schaut mich bedauernd an, aber ich spüre: Eigentlich ist ihr nur wichtig, wie sie vor ihrem Chef dasteht.
Ich schlucke den starken Drang herunter, zickig zu werden. Letztendlich habe ich es hier gerade mit der Regierung eines fremden Landes zu tun, aber mal ehrlich:
Das hier ist eindeutig nur scharfe Soße und kann doch nicht unter das Verbot von Flüssigkeiten im Handgepäck fallen – das ist doch lächerlich!
Ich sehe der Frau zu, wie sie die riesige gelbe Flasche nimmt und in den Müll schmeißt. Mit spitzen Fingern fasst sie sie vorsichtig an, als hätte sie es mit einem dubiosen wissenschaftlichen Experiment zu tun.
Komm schon!
Ich bin doch nur ein kleines amerikanisches Mädchen auf der Suche nach ein bisschen Liebe!
Und die habe ich hier auf dieser entfernten Karibikinsel gefunden:
Ich habe nie an Liebe auf den ersten Blick geglaubt – bis ich diese süß-scharfe cremige Soße gefunden habe.
Wie ein liebestoller Welpe kann ich nicht genug kriegen von ihrer Schärfe. Was war ich begeistert, als ich sie auf dem Castries zum Verkauf gesehen habe. 10 Ostkaribische Dollar habe ich dafür bezahlt, umgerechnet etwa drei Euro.
Ich war im Himmel:
Dieses kleine Stückchen vom Paradies würde ich mir mit nach Hause nehmen!
Und dann kam diese blöde Beamtin und hat mir meinen Traum kaputt gemacht.
Wütend überlege ich, ob es wirklich stimmt, dass alle Saint Lucianer nett sind. Eigentlich ist Saint Lucia nämlich für seine netten Bewohner bekannt – Frau „Diebin-der-scharfen-Soße Cruella De Vil“ gehört offensichtlich nicht dazu.
Wie damals mit 16, als mein Vater mir verbot, mit einem der „coolen Typen“ auszugehen, kann ich ihr nicht in die Augen schauen. Mein aktueller „cooler Typ“ landet nun im Mülleimer. Normalerweise würde ich mich nicht so aufführen, aber ab und zu findet doch jeder von uns etwas, das uns so einzigartig erscheint, dass wir es um jeden Preis behalten wollen.
Das macht mich nachdenklich:
Gibt es andere Situationen im Leben, in denen ich mich genauso krampfhaft an etwas klammere?
Oftmals im Leben wollen wir etwas so gerne haben, dass wir uns an ihm festklammern, wenn wir es dann haben.
Oder noch schlimmer: Unsere Erwartungen, dass wir es bekommen, sind so groß, dass wir verzweifelt sind, wenn wir es doch nicht bekommen.
Im Leben geht es aber häufig darum, loszulassen.
Ist es nicht das, was wir alle versuchen? Zu lernen, wie man sicher durch die unerforschten Gewässer des großen Sees „Unbekannt“ segelt?
Wenn wir uns zu sehr an eine Erwartung klammern, nehmen wir ihr die Möglichkeit, das zu sein, was es eigentlich sein soll. Ob es nun eine Erwartung ist, wie etwas abläuft oder die Erwartung, wie sich jemand verhält:
Wir schränken uns selber ein, indem wir von vornherein etwas erwarten.
Das einzig Beständige im Leben ist Veränderung.
Wenn wir lernen, uns in unbequemen Zeiten dennoch wohl zu fühlen, ist das ein Erfolg. Klick um zu TweetenDann können wir das Leben einfach leben, anstatt uns an Dingen festzuklammern.
Sicher habe ich in der Situation mit der scharfen Soße sehr dramatisch und überzogen reagiert, aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, sie herzugeben. Ich hatte das Gefühl, dass ich diese Soße wirklich will und brauche – und die Vorstellung, sie nicht mehr zu besitzen, hat Angst in mir ausgelöst.
In diesem Zusammenhang lehrt Buddha die „Kunst des Leidens“. In seinen Augen sind Leiden nur eine vom menschlichen Gehirn erschaffene Verfassung. Mein Kopf ist mir also in die Quere gekommen – er hat mich glauben lassen, dass ich ohne diese Soße nie mehr glücklich sein würde.
Hätte ich aber diese Erwartungen nicht gehabt, hätte ich kein Problem gehabt.
Es ist gar nicht so ironisch, dass ich mich auf Saint Lucia im Paradies gewähnt und dann das verloren habe, weshalb ich her gekommen bin. Im Leben arbeiten wir alle auf etwas zu und wollen das Glück irgendwo außerhalb von uns finden.
Der „Kampf mit unserem Kopf“ und den Erwartungen, die er uns vorgaukelt, wird allerdings weitergehen, so lange wir außerhalb von uns selbst nach dem Paradies greifen.
Dieses Paradies ist unerreichbar.
Was auch immer Dein Paradies ist – einen Seelenverwandten zu finden, befördert zu werden, ein größeres Haus kaufen zu können:
Frage Dich mal, warum Du gerade das anstrebst. Das Streben danach ist extrem ermüdend, oder? Schau in Dich selbst hinein, um Dir klar zu werden, was Du Dir davon versprichst.
Es ist weniger anstrengend, ganz bewusst einfach jetzt glücklich zu sein – dann wirst Du Dein Paradies auch finden! Die meisten Menschen suchen nach dem Paradies, um glücklich zu sein, dabei tragen wir es von Beginn an in uns.
Wenn Du es in Dir findest, hast Du das Glück immer bei Dir.
Mir wird klar, dass ich die Macht über meinen Kopf und meine Gedanken habe. Ich kann der Zollbeamtin vergeben und meine Erwartung loslassen, die es mir so schwer gemacht hat. Aristoteles hat mal gesagt: „Das Glück hängt von uns selbst ab.“ Das bedeutet, dass ich bewusst beschließe, glücklich zu sein.
Innerlich ruhig gehe ich weiter in Richtung Terminal.
Auf einmal höre ich hinter mir ein lautes „Entschuldigung!“. Ich drehe mich um und sehe, wie die Zollbeamtin hinter mir her gerannt kommt. Bei mir angekommen drückt sie mir ein Stück Papier mit einem darauf gekritzelten Link in die Hand und sagt:
„Sie können diese scharfe Soße übrigens auch online bestellen.“
Da haben wir es: Ich bin in die Welt hinaus gezogen, um die wahre Liebe zu finden – und habe sie in dieser leckeren scharfen Soße gefunden.
Aber was ich letztendlich finde ist…Frieden.
Frieden, weil ich weiß, dass alles seine Richtigkeit hat.
Und Freiheit:
Nichts führt so schnell dorthin wie das Loslassen von unnötigen Erwartungen.
'Innere Freiheit: Nichts führt so schnell dorthin wie das Loslassen von Erwartungen.' Klick um zu TweetenDer Originalartikel „Paradise lost: Learning to let go of expectations“ ist auf ihrem Blog Playwiththeworld erschienen.
- An welche Erwartungen klammerst Du Dich meistens ‚gern‘ ;)? Und wie kannst Du Dich selbst überzeugen, sie wieder loszulassen?
- Hast Du Tipps und Tricks für andere Life-Preneure, die auch zu fixe Erwartungen loslassen wollen?
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