Ich bin gerade in der südwestlichen Ecke des Jardin des Tuileries in Paris, hier ist das Musée de L’Orangerie.
Ich gehe hinein um mich von noch mehr Kunst bezaubern zu lassen. Das Museum ist bekannt für seine impressionistische Kunst, unter anderem die ‚Décorations des Nympheas‘ – die ‚Wasserlilien‘ – von Claude Monet, die in zwei großen, ovalen Räumen gezeigt werden.
Diese Räume wurden 1927 nach Monets Vorstellungen nur für dieses Bild gebaut.
Außerdem werden andere Künstler hier ausgestellt – wie z.B. Cezanne, Matisse, Picasso, Renoir und Utrillo.
Ich trete in den ersten ovalen Raum ein und bin überwältigt von der Masse an Farbe im sonst beigen Raum. Vier Bilder von Monet hängen hier und ich fühle, wie mir der Atem weg bleibt. Ich stehe da, eingeschüchtert wie eine Dreizehnjährige, die sich nicht traut, ihren Schwarm auf der Schulparty anzusprechen.
Alles kommt mir vor wie in Zeitlupe, die Bilder scheinen aus der Wand heraus zu springen und mich zum Tanzen aufzufordern.
Ihre Farben umgeben mich mit Energie und Licht. Langsam nähere ich mich den außergewöhnlichen Leinwänden und fühle mich, als wäre ich auf einem Konzert von Ölfarben.
Die Schattierungen füllen meine Sinne mit purem Adrenalin und Erstaunen.
Ich sinke auf die Bank in der Mitte des Raums und versuche, alles in mich aufzusaugen.
Dem Herzen folgen und den eigenen Weg gehen
Monet war der Begründer der impressionistischen Bewegung in Frankreich. Das Beeindruckendste an ihm ist, dass er der Erste war, ein Anführer, der „ich mache mein eigenes Ding“- Mann. Als Monet nach Paris reiste, um den Louvre zu besichtigen, sah er, wie viele Maler die Werke der alten Meister kopierten. Er hingegen setzte sich mit seinen Farben und Werkzeugen einfach an ein Fenster und malte, was er sah.
Was er für einen Mut und Willen gehabt haben muss, um seinen eigenen Weg zu gehen!
Seine Werke sorgten für eine ganz neue Kunstrichtung. Ich bewundere, was er der Welt hinterlassen hat – und ich ertappe mich dabei, dass ich auch so groß sein möchte wie er. Gut, vielleicht nicht in diesem Leben. 😉 Vielleicht werde ich es nicht in die Geschichtsbücher schaffen. Vielleicht werden nie Werke von mir in Museen hängen. Und doch heißt das nicht, dass ich kein schönes, reiches, erfüllendes Leben haben kann.
Gegen den Strom schwimmen
Vielleicht sind Monet und ich uns ähnlicher, als ich dachte:
Wir beide haben Mut, wir beide scheinen gegen den Strom zu schwimmen und unserem Herzen zu folgen.
Vielleicht hat sogar jeder von uns ein Stückchen Monet in sich.
Sind wir nicht alle in unseren Herzen Abenteurer?
Möchten wir nicht alle aus der Masse herausstechen und etwas zur Welt beitragen?
Hier sitze ich also, sauge die Bilder in mich auf und bemerke, wie makellos sie sind. Ich trete ein wenig näher und schaue mir die willkürlichen Striche und Kleckse an, als seien sie hingeschmiert worden. Die aggressiven, harten Kanten und Linien scheinen keinen größeren Sinn zu haben: Ein großer roter Strich überdeckt ein paar blaue Punkte. Dieses abstrakte Ölgemälde fasziniert mich und meine Augen und ich fühle mich wie ein Kind im Erwachsenenladen: Ich darf gucken, aber nichts anfassen.
Das große Ganze
Ich trete wieder ein wenig zurück und auf einmal fügt sich das Ganze zusammen zu einer Szene im Garten. Monets Bilder sind wie die Emotionen des Lebens: Von Nahem betrachtet wirken sie unordentlich, chaotisch und auf eine faszinierende Art überwältigend.
Wenn wir aber einen Schritt zurück machen und es uns von weiter weg ansehen, können wir das ganze große Bild sehen – und zwar nur dann.
Unser Leben, so durcheinander und trübe es manchmal scheinen mag, ist Teil des großen Bilds, des Masterplans sozusagen.
Und wir alle sind wie ein Bild von Monet:
Wir alle sind Meisterwerke.
Der Originalartikel „Monet in me“ ist auf Shannons Blog Playwiththeworld erschienen.
[Bildquelle: WikiCommons]