„Der Menschen lernt während er lehrt“ – Seneca der Jüngere
Es ist schon ein merkwürdiges Phänomen: Wenn wir unsere Gewohnheiten ändern möchten – unser Durcheinander aufräumen, gesünder essen, Sport treiben – wollen die anderen Menschen in unserem Leben sich meistens nicht genauso verändern.
Fast so, als hätten sie ihren eigenen Kopf! 😉
So schlimm das auch klingen mag:
Das ist die Realität, mit der wir klar kommen müssen, wenn wir eine Familie (oder Freunde, Mitbewohner, Kollegen usw.) haben. Sie weigern sich oft gegen unsere Veränderungen oder ihre möglicherweise ungesunden Gewohnheiten stehen uns im Weg.
Du versuchst z.B., nur noch Vollwertkost zu essen – und Deine Tochter snackt Cracker, Pizza und Kekse. Und sie hat offensichtlich kein Interesse, an einer Spargelstange herumzukauen.
Was soll der Veränderungswillige also tun?
Seinen Versuch abblasen? Nein.
Die Veränderung den Familienmitgliedern aufzwingen? Klingt verlockend, ist aber nicht effektiv.
Die Antwort ist:
Es gibt keine einfache Antwort.
Ich erzähle euch, was bei mir funktioniert hat, aber das heißt nicht, dass es für jeden funktioniert.
Wenn Du Single bist und allein lebst, sind Veränderungen egal welcher Art einfacher. Wenn Du aber verheiratet bist, musst Du Kompromisse eingehen. Du lebst in einem Umfeld, das Euch beiden gehört und in diesem Umfeld geht es nur mit Absprachen.
Wenn Ihr Kinder habt, ist es ein Umfeld, das Euch allen gehört und in dem es nur mit Absprachen zwischen Euch allen klappt.
Was funktioniert?
Lasst uns ein paar Strategien angucken. Probier eine davon aus, probier zwei davon aus, oder probier sie alle aus und finde heraus, was für Euch in Eurem Raum funktioniert.
1. Andere von der Veränderung überzeugen
Eine häufige Situation: Du hast von einer Herausforderung oder Veränderung, die jemand anders geschafft hat, gelesen, oder Du hast von dem Thema in einem Artikel oder einem Buch erfahren. Du hast darüber nachgedacht und letztlich beschlossen, dass Du Dich ebenfalls verändern möchtest.
Diese Entscheidung jubelst Du dann Deiner besseren Hälfte oder sogar Deiner ganzen Familie unter. Aber komischerweise sind sie nicht so enthusiastisch, wie Du es gern hättest.
Sie sind nicht so enthusiastisch, weil Du schon durch den ganzen Denkprozess gegangen bist, um zu Deiner Entscheidung zu gelangen, und sie erst am Ende mit einbeziehst – NACHDEM Deine Entscheidung schon gefallen ist. Das ist nicht fair, weil Du ihnen nicht die Zeit zum Nachdenken gibst, die Du hattest, weil sie keine Zeit haben, die Gründe zu bedenken, sich zu motivieren und an der Entscheidungsfindung beteiligt zu werden.
Ich habe gelernt, dass es effektiver ist, all die Menschen, die von der Entscheidung betroffen sein werden, so früh wie möglich in den Denkprozess mit einzubeziehen.
Sprich nicht erst mit ihnen, wenn Du kurz vor der Entscheidung stehst – sprich mit ihnen, wenn Du zum ersten Mal von der Idee hörst oder liest.
Erzähl ihnen, was Dich daran so interessiert.
Hol Dir ihre Meinung.
Frag sie, ob sie sich die Veränderung auch für sich selbst vorstellen können.
Sprich über Deine Motivation für die Veränderung.
Beziehe sie an jedem Schritt auf Deinem Weg mit ein, bis Du die Entscheidung getroffen hast – und darüber hinaus.
Menschen mögen es nicht, gegen ihren Willen zu Veränderungen gezwungen zu werden.
Gib ihnen also nie das Gefühl, dass Du sie zwingst.
Verlange nicht von ihnen, sich ebenfalls zu verändern.
Bitte sie, Dir bei Deiner Veränderung zu helfen, sobald Du die Entscheidung getroffen hast. Sag ihnen, dass Dir ihre Unterstützung wirklich wichtig ist und sie, obwohl sie natürlich gerne mitmachen dürfen (gerne sogar!), sich nicht verändern müssen. Sie sollen Dir nur helfen. Bitte sie, die Person zu sein, der Du Rechenschaft schuldig bist, jemand, der Dir hilft, wenn Dir die Veränderung schwer fällt, jemand, dem Du von Problemen und Erfolgen berichten kannst.
2. Ein Vorbild sein
Obwohl nicht jeder Deine Idee sofort gut finden wird, habe ich doch eine gute Methode zur Überzeugung gefunden:
Selbst mit gutem Beispiel voran gehen.
Als ich mit dem Sport anfing, tat das der Großteil meiner Familie nicht. Ich habe versucht, sie zu überzeugen, aber ich war nicht so gut darin, wie ich gedacht hatte.
Als sie mich beim Sport sahen, dachten sie zuerst, dass ich schon ein wenig verrückt bin.
Dann sahen sie, wie ich mich veränderte und wie viel Spaß es mir machte. Ich erzählte ihnen, wie großartig es war – und mit der Zeit inspirierte es einige Familienmitglieder.
Das kannst Du also tun:
Inspirieren, eine Möglichkeit in Betracht zu ziehen, die sie sonst nicht in Betracht ziehen würden – und das nur, indem Du mit gutem Beispiel voran gehst. Keiner will Yoga mit Dir machen? Das ist vollkommen okay. Mach einfach weiter und erzähle von Deinen Erlebnissen. Mach vor ihren Augen Yoga, während Sie fernsehen. Dabei solltest Du ihnen aber nicht auf die Nerven gehen.
3. Sich selbst verändern – mit mehr Freiraum
Wenn andere Deine geplante Veränderung nicht mitmachen möchten, bitte sie um ein bisschen Unterstützung:
Bitte sie, Dir den Raum zu geben, Deine Veränderung ohne ihre Hilfe zu meistern.
Das ist manchmal gar nicht so einfach. Manche Menschen fühlen sich ‚bedroht‘, wenn jemand aus ihrem Leben sich verändern will oder möchten die Routine, die ihr bisher gemeinsam hattet, nicht unterbrechen – zusammen Junk Food zu essen beispielsweise.
Dass Du etwas alleine tust, mag eine große Umstellung für sie sein.
Bitte sie, Dir den Freiraum zu geben und Dich nicht zu kritisieren oder es Dir anderweitig schwerer als nötig zu machen. Wenn sie grollen, macht es das Ganze natürlich nicht einfacher, aber Du musst Dir Mühe geben, ihnen zu zeigen, dass Du etwas tust, das Dich glücklich machen wird und Du Dein Bestes geben wirst, für sie nichts zu zerstören. Wenn das bedeutet, dass ihr den Morgen nicht mehr zusammen verbringen könnt, weil Du joggen bist, versuche, anderweitig Platz für gemeinsame Zeit zu schaffen – abends oder am Wochenende zum Beispiel.
Wenn Du Dich ganz allein ohne Unterstützung von anderen veränderst, ist es schwieriger.
Such Dir anderswo Zuspruch. Ich bin zum Beispiel einer Jogging-Community online, einer „Nichtraucher werden“-Gruppe und ähnlichen Gruppen beigetreten.
Facebook und andere Social Networks können auch helfen, online Zuspruch und Unterstützung zu finden. Oft gibt es Gruppen in Deiner Gegend, in denen Du auch offline Menschen treffen kannst, die gerade dieselben Veränderungen machen.
4. Gemeinsame Herausforderungen für die ganze Familie
Eine meiner erfolgreicheren Strategien ist das Erfinden kleiner ‚Challenges’/Herausforderungen für meine Familie. Sie müssen diese Challenges natürlich nicht mitmachen, aber manchmal mögen Menschen ja Herausforderungen. Und sie mögen es, sich zusammen mit anderen zu verändern.
Meine Frau und ich fordern uns gegenseitig im Gesund-Essen heraus – wir nennen es die „Abnehm-Challenge“ und machen sie meistens nach Trips, auf denen wir viel ungesundes Zeug gegessen haben.
Meine Kinder habe ich bisher dazu ‚angestiftet‘, Liegestütze und Handstände zu machen, joggen zu gehen, vegetarisch zu essen, täglich zu malen und anderes.
Solche ‚Challenges‘ machen Spaß, wenn man sie zusammen macht. Man kann sie als Wettbewerb machen oder einfach alle belohnen, die sie schaffen.
5. Speziell zur Veränderung von Essgewohnheiten
Essgewohnheiten zu verändern kann besonders schwierig sein, wenn Deine Familie nicht mitmacht: Es kann passieren, dass sie vor Deinen Augen Junk Food in sich hinein stopfen, während Du auf einem Stück Sellerie herumkaust.
Mies.
Folgendes habe ich gelernt:
Wenn Du der Koch bist, koch das Essen für Deine Familie und Deine eigenen Mahlzeiten getrennt. Meine Frau Eva und ich kochen unser Essen oft in Massen und essen es dann mehrere Tage lang, während die Kinder andere Sachen essen. Aus irgendeinem Grund sind sie keine großen Fans von Kohl und Quinoa.
Kinder halt. 😉
Die Geschmacksnerven von Kindern können sich ändern – aber es dauert. Sie werden nicht mit einem Mal grünen Salat lieben, aber Du kannst vorsichtig anfangen, Gemüse einzuführen, zum Beispiel in Suppen und anderen Gerichten, die sie kennen. Gewürfelte Karotten und Kohl passen in Chili con Carne und Spaghetti-Soße, wenn Du sie klein genug schneidest und sie hinzufügst, wenn Du Zwiebeln oder Knoblauch anbrätst.
Kinder essen fast alles, wenn Du ein paar Pommes zum Gericht hinzufügst.
Wenn die Kinder etwas besonders Verlockendes wie Pizza essen, verschwinde ich lieber, um nicht in Versuchung zu geraten. Es ist schwierig, das ungesunde Zeug zu ignorieren, das ich gerne esse, wenn es direkt vor mir liegt – also gehe ich eine Runde joggen oder gehe in mein Zimmer und arbeite und halte mich beschäftigt.
Wir versuchen, Restaurants zu finden, in denen es gesundes Essen gibt, das die Kinder mögen.
Als ich Vegetarier wurde, aßen Eva und die Kinder ganz normal weiter. Sie probierten ein paar Gerichte, die sie durchaus mochten, und dann aß ich mein Essen einfach getrennt von ihnen. Wenn ich mein Essen besonders lecker machte, konnte ich sie überzeugen, es zumindest zu probieren.
Kinder gehen mit in jedes Restaurant, wenn es zum Schluss ein Dessert gibt.
Viele Leute mögen die Idee, vegan zu essen, nicht, auch wenn sie es noch nie probiert haben. Ich kann sie oft mit leckeren veganen Cupcakes überzeugen, es wenigstens zu probieren. Ich empfehle „Vegan Cupcakes take over the World“.
Wahnsinnig lecker.
6. Unterstütze ihre Veränderungen
Wenn Du möchtest, dass andere Deine Veränderungen unterstützen, solltest Du auch ihre Vorhaben unterstützen. Wenn meine Kinder oder meine Frau andeuten, dass sie etwas verändern möchten, gebe ich mein Bestes, ihnen zu helfen:
- Ich teile meine Erfahrungen und was für mich funktioniert mit ihnen und erkläre ihnen, wie ich mit Hindernissen umgegangen bin.
- Ich zeige ihnen Websites und Bücher, die ihnen helfen, und kaufe Bücher für sie.
- Ich mache ein Projekt mit ihnen zusammen oder erfinde eine „Challenge“, die wir gemeinsam machen können.
- Ich jogge mit meiner Frau, gehe mit ihr ins Fitness-Studio und habe ihr ein Notizbuch gemacht, in dem sie ihre Fitness-Fortschritte festhalten kann.
- Ich teile vegetarische Rezepte mit meiner Frau (die nun vegan ist) und meiner Tochter, die es ausprobiert, vegetarisch zu leben.
Es gibt mehr Möglichkeiten, das hier sind nur ein paar Beispiele. Wenn die anderen sehen, dass Du sie unterstützt, haben sie nun eine Vorlage, wie sie sich verhalten können, wenn Du in Zukunft etwas verändern möchtest. Diese Veränderungen kommen nicht über Nacht, sie brauchen Zeit.
Sei geduldig, wenn Du die Kultur in Deiner Familie verändern möchtest.
7. Lernen durch lehren
Der beste Weg, Dich zu verändern, ist, wenn Du anderen hilfst.
Das bedeutet sie zu unterstützen, wenn sie sich verändern wollen, Deine Erfahrungen mit ihnen zu teilen, ihnen zu zeigen, etwas Cooles zu machen, nachdem Du es gelernt hast.
Du lehrst, indem Du Dich veränderst und diese Veränderungen mit Deiner Familie teilst.
Anfangs mag es sein, dass sie gar nicht lernen möchten, sich ebenfalls zu verändern – aber mit der Zeit werden sie wollen. Während Du lehrst, lernst Du mehr und mehr. So wie ich gerade, weil ich meine Erfahrungen mit Dir teile.
Der Originalartikel „Getting your family on board with life changes“ ist auf seinem Blog Zen Habits erschienen.
Ein paar Selbst-Coaching-Prompts für Dich dazu, wie man sein Leben verändert – ohne Konflikt mit der Familie:
- Hast Du schon mal so eine größere Veränderung umgesetzt – z.B. abnehmen, Nichtraucher oder Vegetarier werden?
Wie hat Dein Umfeld, Deine Familie darauf reagiert? - Welche Unterstützung hast Du bekommen – und was hat besonders gut geholfen?
- Kennst Du jemanden, der gerade auch sein Leben verändern will? Aus Deiner Familie? Wie kannst Du ihn oder sie unterstützen?
- Welchen Tipp würdest Du jemandem geben, der z.B. abnehmen, sich gesünder ernähren, nicht mehr rauchen o.ä. will – und sein Umfeld boykottiert ihn oder sie?
- Deine Tipps, Erfahrungen, Fragen zu ‚Sein Leben verändern in Harmonie mit der Familie“: Hier unten ist Platz dafür.
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